Der Eingang der Rohlfshöhle öffnet sich inmitten einer flachen Decke von tertiärem Kalk in der Ägyptischen Sahara im Raum von Djara. Der Einstieg, durch den man die Höhle (in gebückter Haltung) betreten kann, erfolgt von einer grubenartigen Vertiefung aus, die als Deckeneinsturz des bereits bestehenden Höhlenraums entstand. Die ursprüngliche Tagöffnung liegt nur zwei Meter entfernt am gegenüber liegenden Rand der Mulde. Sie ist in einige gerade noch schliefbare einwärts führende Öffnungen untergliedert. Den an dieser Stelle sichtbaren gerundeten Deckenformen entsprechend könnte es sich um Reste einer Laugungsdecke handeln, wie sie sich durch stehendes oder langsam fließendes korrodierendes Wasser bildet.
Die Überdeckung im Eingangsbereich weist, wie an der Einbruchöffnung zu erkennen ist, eine Dicke von rund einem Meter auf. Beobachtungen der Gesteinsschichten deuten darauf hin, dass die Absenkungs- und Verbruchvorgänge noch im Gange sind; da kein frisch verbrochenes Material gefunden wurde, ist aber anzunehmen, dass dieser Prozess verhältnismäßig langsam vor sich geht, so dass eine akute Gefährdung von Höhlenbesuchern gering ist. Es ist aber sicher angeraten, größere Erschütterungen zu vermeiden, also z. B. den Außenbereich oberhalb der Höhle nicht mit Autos zu befahren und auf frische Senkungen der Decke und Abbruchschutt zu achten. Betreten also jedenfalls "auf eigene Gefahr". In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist auch eine in unmittelbarer Nachbarschaft liegende rund 10 qm große Absenkung, die sich offenbar allmählich weiter vertieft.
Die Höhle besteht aus einem sackartigen Raum, der lediglich durch Tropfsteinformationen in einige Abschnitte gegliedert ist. Vom Eingang aus führt eine Böschung über Sand geradewegs bis in die tiefsten Teile, wo sich der Sandboden allmählich einebnet. Von dort aus lassen sich die Tropfsteingebilde, speziell auch an der hinteren, dem Eingangsbereich gegenüber liegenden Wand, gut überblicken. Hinter Deckensintergebilden schließt linkerhand ein Raum an, von dem aus zu einer etwa in halber Höhe liegenden Plattform Verbindung besteht.
Die Höhle ist den Laugungshöhlen (Korrosionshöhlen) zuzurechnen, entstanden an einer Stelle, an der sich oberflächlich abrinnendes Wasser gesammelt hat. Zu prüfen wäre, ob sich im Relief noch Anzeichen früherer zur Höhle führender Gerinne finden. Das ihrer Entstehung zugrunde liegende Prinzip: Durch die Mischung verschieden konzentrierter Kalklösungen erhöht sich lokal die Lösungsfähigkeit, so dass es an solchen Stellen zur korrosiven Abtragung größerer Volumina kommt. Die Auflösung des Kalks endet mit dem Eintreten eines neuen Gleichgewichts, von da an sickert das Wasser ohne chemische Reaktionen durch Gesteinsfugen ab. So entsteht ein sackförmiger Raum ohne nennenswerte Fortsetzungen. Dieser Fall scheint hier vorzuliegen, obwohl die unteren Höhlenteile, an denen eine solche Annahme zu prüfen wäre, zugeschüttet sind und sich der Beobachtung entziehen. Damit wird die Hoffnung, weiterführende Höhlenteile zu finden, stark reduziert.
Dieser Situation entsprechend enthielt die Höhle früher zweifellos stehendes Wasser. Vermutlich wurde sie einst als Wasserreservoir genutzt, worauf auch die in der Höhle vorkommenden, a.a.O. (R. Kuper und Mitarbeiter) beschriebenen Ritzzeichnungen und Kulturschichten schließen lassen. Letzte Spuren einer Wasserfüllung sind in den untersten Regionen aufzufinden, und zwar in der Form einer dünnen durch Trockenrisse aufgespaltenen Tonschicht, von der eingerollte Blättchen übriggeblieben sind. Dieses Sediment liegt über den Sandablagerungen und ist wahrscheinlich lediglich Zeugnis eines nur kurzfristig bestehenden Tümpels.
Bemerkenswert ist das Auftreten von massivem Höhlensinter in der Höhle. Frei sichtbar ist allerdings nur die Deckenformation, Stalaktiten von über fünf Metern Länge sind keine Seltenheit, oft weisen sie auch beträchtliches Breitenwachstum auf und sind mit Sintervorhängen ausgestattet, so dass sie die erwähnten raumtrennenden Kulissen bilden. Nur wenige sind abgebrochen, was auf geringe tektonische Beanspruchung schließen lässt (- von Frosteinfluss, der oft eine maßgebende Rolle beim Abbau von Sintergebilden spielt, kann hier abgesehen werden). Die abgestürzten Stalaktiten-Bruchstücke sollten, zusammen mit Deckenverbruch, unter den Sandmassen des Bodens verborgen sein, deren Dicke nach Angaben von R. Kuper und Mitarbeitern bis zu acht Meter erreicht. Aus der Erfahrung mit ähnlichem Situationen erfolgt der Hinweis, dass dort, u.zw. entlang des Weges, den Wasserträger früher verwendet haben, die Chance zum Auffinden von Scherben besteht, denn beim Transport zerbrechlicher Gefäße bei schlechter Beleuchtung lassen sich Beschädigungen nicht völlig vermeiden. Dort könnten auch im Weg stehende Tropfsteine abgebrochen oder auch absichtlich abgeschlagen worden sein. Im Hinblick auf weitere Untersuchungen wäre zu überlegen, ob eine Entfernung von Sand aus der Höhle mit technischen Mitteln, beispielsweise durch Absaugung, möglich ist.
Der Sand verbirgt leider auch den Hauptteil der korrespondierenden Bodensinterformation, die im Hinblick auf eine chronologische Analyse aufschlussreicher ist als die Deckenformation. Immerhin treten aber in den Randbereichen der Höhle auch kleinere Bodenzapfen auf. Von der Basis der Schichtenfolge aus, ebenso vom Habitus und der Färbung, sind deutlich zwei Sintergenerationen zu unterscheiden. Die unten liegende, ältere ist massiger und dunkler als die darüber liegende jüngere. Von dieser sind auch einige relativ dünne Kerzenstalagmiten erhalten, die gute Voraussetzungen für eine Datierung bieten. Auch einige dünnschichtige Ansätze von Stalagmiten im Anfangszustand, die evtl. die Periode der ausklingen Feuchtigkeit dokumentieren, wurden aufgefunden, u. zw. in der Nähe der Ritzzeichnungen im oberen Wandbereich; von der Kalkmenge her gesehen könnte eine Datierung gerade noch möglich sein. Dadurch könnte eine zeitliche Einordnung jener Periode erfolgen, in der die Höhle als Brunnen diente und aus der die Ritzzeichnungen stammen. Diese Einschätzungen sind hypothetisch, würden aber den Aufwand einen physikalischen Datierungsversuchs rechtfertigen. In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind zwei quer durch Stalaktiten aus dem mittleren unteren Teil der Höhle getriebene Bohrlöcher von rund 5 cm Durchmesser, offenbar die Spuren einer Probenentnahme von unbekannter Seite.
In der Umgebung der Höhle wurden Anzeichen weiterer Verkarstungsprozesse gefunden. Dazu gehört ein ehemaliger, heute verschütteter Karawanenbrunnen, von dem einige sich bald stark verengende Schichtfugen ausgehen, sowie ein - wieder nach Mitteilung von R. Kuper und Mitarbeitern - 18 m tiefer Schacht, der Spuren künstlicher Erweiterung aufweist und offenbar als Brunnen benutzt wurde. Einige in der Nähe liegende mit Sand gefüllte Löcher könnten als Reste von Dolinen gedeutet werden. Dem Anschein nach gehören diese Bildungen ebenso wie die Rohlfshöhle einer gemeinsamen Verkarstungsperiode an. In der Umgebung dieser Aushöhlungen fanden sich aber auch oberflächlich aus dem Sand ragende Reste von Höhlensinter, die aus einer älteren Periode der Verkarstung stammen. Solche Gebilde waren - in der Weißen Wüste rund 100 km westlich von Djara - Gegenstand einer vorher erfolgten Exkursion (- ein Bericht darüber von K.-H. Pielsticker ist in Vorbereitung). Diesen Funden gegenüber erwiesen sich die Sinterreste im Raum von Djara schon durch ihre geringere Größe als weitaus weniger auffällig, sie beweisen aber, dass die Beanspruchung der Kalkstöcke der Sahara durch Verkarstungsprozesse, verbunden mit der Bildung von Tropfsteine enthaltenden Höhlen, ein nicht nur lokales Ereignis ist. Die betroffenen Schichten - eozäne Kalke - sind heute vielfach schon abgetragen, und die Tatsache, dass Überreste von Höhlensintergebilden über der Bodenbedeckung freistehend auftreten, ist sicher auf die der Kalkmatrix gegenüber erhöhte mechanische, vielleicht auch chemische Widerstandsfähigkeit zurückzuführen.
Die bisherigen, für definitive Aussagen sicher noch unzureichenden Beobachtungen legen es nahe, den in Wüstenbereichen auftretenden Karstprozessen - die bisher offenbar kaum zur Kenntnis genommen wurden - mehr Beachtung zu schenken. Ein Vergleich mit den Karsthochflächen im Alpenbereich zeigt, dass Rückgang und Verlust von Vegetation auch in feuchtem Klima möglich sind. Die Verkarstung, durch Verlegung der Wasserwege in die Tiefe gekennzeichnet, würde zu einem Trockenfallen der Oberfläche führen, u.zw. schon lange vor dem Übergang zum ariden Klima. Diese während der letzten Verkarstungsperiode, also schon vor dem Übergang zur Wüste, einsetzende Verödung, speziell der damit verbundene Verlust an fruchtbarem Land, wäre wiederum bei Rekonstruktionen der Besiedelungsgeschichte zu berücksichtigen.
Auch diese Schlussfolgerungen haben hypothetischen Charakter und bedürfen einer eingehenden Bearbeitung sowohl aus karstkundlichen wie auch aus geologischen Aspekten heraus. Zur Vorbereitung sollte eine Karte der verkarstungsfähigen Gesteine zur Verfügung stehen, und in den betroffenen Gebieten wäre in Satellitenaufnahmen das Relief auf Spuren einst aktiver Gerinne hin zu untersuchen. Wo es zu einem Zusammentreffen von Wasserwegen gekommen ist, wäre eine Suche nach Schlucklöchern, Höhlen, Resten von Dolinen usw. aussichtsreich. Beweise für Verkarstung würden insbesondere fossile Karren liefern, die vermutlich zum größten Teil mit der gesamten Bodenformation unter Sedimenten, speziell Sand, verborgen liegen. An den Flanken von Erhebungen dürften sie am ehesten zugänglich sein. Da freiliegende Gesteinsformen aber meist von Winderosion überprägt sind, sind sie nur schwer zu erkennen; hilfreich mag dr Eindruck sein, dass "zerfressene" und "durchlöcherte" Oberflächen nicht auf den sandtragenden Wind zurückzuführen sind, da dieser bei homogenen Materialien aus strömungstechnischen Gründen eine polierende Wirkung ausübt und im Lauf der Zeit alle Erhebungen abschleift. Die endgültigen Gleichgewichtsformen sind durch Riffelmarken modulierte glatte Flächen, wobei die Periodizität eine Funktion der Windgeschwindigkeit ist - langgestreckte Marken weisen auf langsame, kurze auf rasche Bewegung. (Diese Bemerkung bezieht sich auf Kleinformen und steht nicht im Widerspruch mit der Tatsache, daß die Winderosion mechanisch stabilere Gesteinspartien herauszupräparieren imstande ist - einem Effekt, dem auch die Existenz der freistehenden Sinterformen zu verdanken ist.)
Zum Nachweis der Verkarstung wäre es wichtig, an einigen Stellen Teile der unter dem Sand liegenden Oberfläche freizulegen. Neben Karren und Rinnen sind insbesondere verschüttete Sinterreste fossiler Höhlen interessant. Wo Teile davon heute über die Oberfläche ragen, besteht Aussicht auf Freilegung der chronologisch interessanten Bodensinterformationen. Es gibt eine reelle Chance, im Laufe eingehender Untersuchungen weitere größere, der Höhle von Djara entsprechende Höhlen zu finden. Da solche vor dem großen Sandeinbruch sicher besser zugänglich waren, könnten auch einige darunter sein, die als Wasserspeicher genutzt wurden und Reste kultureller Aktivitäten enthalten.
Die Darlegungen geben erste und vorläufige Eindrücke wieder, die während einer Exkursion in das Gebiet von Djara in der ägyptischen Sahara im Oktober 2001 gewonnen wurde. Für Hinweise zu den Verkarstungserscheinungen und ihrer Deutung bin ich Herrn Heiner Thaler, der auch die fotografische Dokumentation und die Anfertigung von Planskizzen übernommen hat, zu Dank verpflichtet. Zu danken ist weiter Prof. Dr. Rudolph Kuper für die Einladung zur Reise, sowie ihm und seinen Mitarbeitern für hilfreiche Unterstützung. Speziell bin ich Dr. Olaf Bubenzer für fachliche Hinweise zur Geologie dankbar. Dank gebührt schließlich Herrn Hermann Wirtz, der die Zusammenarbeit angeregt und unterstützt hat.
Planskizzen und Fotos: Heiner Thaler. Die Planskizzen sowie die Bildbelege aus der umfassenden fotografischen Dokumentation werden auf anderem Weg übermittelt, bzw. stehen - nach Absprache mit dem Bildautoren - zur Einsicht, gegebenenfalls auch für Veröffentlichungen, zur Verfügung.
Rohlfshöhle, Eingang und Innenbereich
Zur vorläufigen Übersicht habe ich einige meiner eigenen als Erinnerungshilfe gemachten Aufnahmen benutzt - mit Ausnahme des dritten Fotos, das mich bei einem soeben gefundenen freistehenden Sintergebilde zeigt und von Heiner Thaler stammt; von diesem ist auch die vollständige Bilddokumentation zu erhalten.